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Theatertreff
aus: Balsam für die Seele
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Was hatte sich
Inge Kramer auf diesen Tag gefreut. Sie hatte diese nur mit großer Mühe
unterdrücken können. Heute war er da, der Tag, der ihr Leben verändern
würde. Ihr Mann Peter, mit dem sie in zwei Jahren Silberhochzeit feiern wird
oder vielleicht auch nicht, wurde mit zunehmendem Alter immer bequemer. Was
hatte er ihr nicht alles versprochen, natürlich immer in Urlaubslaune, wie
sich ihr Leben zukünftig ändern würde. Nicht das man nicht einen
Bekanntenkreis hätte, ja vielleicht könnte man auch Freundeskreis sagen, mit
dem Wort sollte man immer vorsichtig umgehen, aber wenn man immer hörte, was
andere so unternahmen, saßen sie immer nur auf ihrer Scholle. Sicher, im
Sommer gab es Grillfeste und auch mal hier und da eine Feier, aber das war
es auch. Konzert- oder Theaterbesuche lehnte Peter immer strikt ab,
angeblich passte der Anzug nicht, die Hose kniff im Bund und dann das
stundenlange sitzen. Oder einfach mal über den Flohmarkt bummeln. Oder wie
oft hatte sie schon zur Tulpenblüte zum Keukenhof fahren wollen, diese
Blumenpracht mal aus der Nähe und nicht immer nur aus Illustrierten zu
erleben. Im Urlaub hatte ihr Peter alles versprochen, womit sie zunächst
einmal glaubte, sie im guten Glauben zu lassen. Aber zerplatzt waren diese
Versprechungen regelmäßig wie eine Seifenblase. Zu Hause war wieder der
gleiche Trott. Aber Fußballspiele, wenn auch nur die Heimspiele, die
verpasste ihr Peter nicht einmal. Da konnte es regnen, schneien oder hageln.
Da interessierte es auch nicht, dass der Garten begann, zu verwildern. Das
durfte dann Inge wieder in Ordnung bringen.
Aber damit war
jetzt Schluss. Kaum hatte sich Peter an diesem Nachmittag ins Stadion
begeben, begann Inge ihre Vorbereitungen für den Abend. Ihr Peter würde ganz
schön dumm aus der Wäsche gucken, wenn er den Abend alleine verbringen
durfte. Denn der wusste ja noch nichts.
Ein letzter
prüfender Blick in ihre Handtasche. Theaterkarte, Hausschlüssel und
Geldbörse, alles dabei. Sie besah sich noch einmal im Spiegel.
"Na, dann viel Spaß, Frau Kramer und Tschüß." Sie musste sich ein bisschen
beeilen, denn der Radiosender, den sie immer hörte, gab gerade das Ergebnis
von Peters Mannschaft durch. Das hörte sich gar nicht gut an und bei solchen
Heimniederlagen konnte es schon mal passieren, dass er wutschnaubend das
Spiel vor dem Abpfiff verließ.
Gegenüber von dem
Stadttheater gab es das Lokal "Theatertreff". Hier traf man sich, vorher und
oder auch nachher, in gemütlicher
Atmosphäre. Inge war in einer solchen Hochstimmung, dass sie sich dort erst
einmal ein Gläschen Sekt gönnte. An der Theke bemerkte sie eine Frau, die
offensichtlich auch ohne Begleitung war. Es an diesem Tag sehr warm war und
diese Dame benutzte ihre Theaterkarte als Fächer.
Nachdem Inge
genüsslich ihr Glas geleert hatte, begab sie sich ins Theater. Sie war schon
immer von dieser Atmosphäre überwältigt, wenn sie im Zuschauerraum auf ihre
Platz ging und so in die Runde sah. Für sie war ein Theaterbesuch etwas
besonderes und es ärgerte sie immer maßlos, wenn so mancher Besucher in
völlig unpassender Kleidung sich so flegelhaft auf dem Besucherstuhl
platzierte. Zwar waren in der heutigen Zeit Jeans schon salonfähig, aber
nach ihrer Meinung konnte man damit in die Disco gehen, aber nicht ins
Theater. Langsam füllte sich der Zuschauerraum und das Raunen im Publikum
wurde lauter. Im Orchestergraben kam auch etwas Bewegung. In manchen Reihen
war es ein ständiges Aufstehen und Hinsetzen, schließlich sind ja
bekanntermaßen die Sitzreihen in einem Theater sehr schmal. Während Inge
noch das Programmheft studierte, wurde der Platz neben ihr besetzt. Die Dame
aus dem "Theatertreff" stellte sich Inge als Doris Mahler vor. Sie kamen
kurz ins Gespräch und jede erklärte fast entschuldigend, warum sie alleine
in der Vorstellung war.
"Männer"
entgegneten sie lächelnd, fast wie aus einem Munde. Nach der Vorstellung
gingen Inge und Doris noch auf ein Gläschen Sekt, boten sich das Du an und
verabredeten sich für den nächsten Theaterbesuch. Da war so ein Funken
Sympathie zwischen den Frauen, der vielleicht für ein richtiges
Freundschaftsfeuer reichten könnte.
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