Angelika Preußer

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Begleitservice

aus: Balsam für die Seele

 

Endlich war der Presserummel vorbei und Willi Menke trat seinen neuen Dienst an. Er war nicht mehr der Busfahrer bei den Verkehrsbetrieben, sondern Chef in dem neu geschaffenen Ressort Sicherheitsbereich. Das war nicht nur für ihn etwas neues.  In den Verkehrsbetrieben hatte man sich lange Zeit mit der Eindämmung der Kosten beschäftigt, die durch den Vandalismus entstanden waren. Auch häuften sich Beschwerden von Fahrgästen, die nicht mehr bereit waren, die Kosten für Reinigungen ihrer Kleidung durch verdreckte Sitze in Bus und Bahn zu bezahlen. Präsenz war das Zauberwort, von dem man sich mehr versprach, als von teuren Videoüberwachungen. Was sollten die auch bringen? Man hatte den Täter zwar vielleicht auf dem Bild, aber der Schaden war schon entstanden. Dem wollte man vorbeugen.  Für Willi Menke kam diese Einsicht der Verkehrsbetriebe genau im richtigen Moment. Nach einer schweren Krampfaderoperation hatte der Betriebsarzt ihm von ständig sitzender Arbeit abgeraten. Aber Willi war nun einmal mit Leib und Seele Busfahrer. Also bezog man ihn in die neuen Planungen gleich mit ein. So hatte er seine Arbeit hoch in seinem geliebten Bus, wenn auch nicht mehr hinter dem Steuer und sein Betrieb wusste eine Fachkraft im Bus, der man so schnell nichts vormachen konnte. Er wurde quasi der alte Schaffner, wie man ihn von früher kannte. Er kontrollierte die Fahrtausweise, beobachtete das Verhalten der Fahrgäste, half Fahrgästen, mit und ohne Kinderwagen, beim Ein- und Aussteigen. Kurz, er war der Mann für alle Fälle. Diese Neuerungen sprachen sich natürlichschnell rum. Wegen seines besonnenen Verhaltens wurde Willi auch gleich auf einer Problemstrecke eingesetzt, die überall nur Rabaukenlinie hieß. Jugendliche und Heranwachsende, mit überschäumendem Temperament, mit wenig oder gar keinem Benehmen hatten schon mehrfach Anlass zu heftigen Beschwerden gegeben. Auf dieser Linie waren auch die Vandalismusschäden am größten. Bei Fahrgastbefragungen war man außerdem zu erschreckenden Ergebnissen gekommen, die durch Mitarbeiter der Verkehrsbetriebe über- prüft wurden. Klaus Rudolfi, Leiter der Verkehrsbetriebe/ hatte selbst üble Erfahrun- gen gemacht, die in Zukunft kein Fahrgast mehr erleben sollte. Die Verkehrsbetriebe sollten wieder sicher, sauber und attraktiv werden.   Schon am zweiten Tag musste Willi in Aktion treten.   Höflich, wie es sein Art nun einmal war, machte er vier Jugendliche darauf aufmerksam, dass die Sitzbänke, wie der Name es schon aus- drückt, Sitzbänke und keine Liegestätten für müde Füße seien und dass ein Walkman im Bus nicht benutzt werden darf. Dabei wies er auf ein großes Schild an der Eingangstür hin.   „Ey, was ist los?" maulte ihn gleich der ältere aus der Truppe an.   „Was will denn dieser Urnenhuscher von uns? Hat der uns überhaupt was zu sagen?" provozierte der zweite gleich hinterher. Willi zog seinen Ausweis und hielt jedem der vier diesen unter die Nase.   „Er hat! Und jetzt nehmt endlich die Füße von den Sitzen!" forderte Willi sie etwas energischer auf.   „Sag mal, quatscht der uns hier so an?" wurde jetzt auch der vierte allmählich gesprächig. Als Willi dann auch noch die Fahrscheine ver-  langte, flippten die vier fast aus.   „Wenn ich dann mal bitten dürfte", forderte Willi in einem schon  schärferen Ton. Dann fing jeder an, gemächlich in seinen Hosentaschen zu suchen. Im gleichem Moment fing bei einer jungen Frau vor  den Knaben das Handy an zu klingen. Er tippte ihr auf die Schulter  und wies sie auf das Handy-Verbot-Schild hin.   „Warte mal eben, hier macht mich so ein Kerl an. Mann, was ist los?  Sie können mich doch nicht beim Telefonieren stören, ich glaube ich  spinne!" maulte sie Willi genervt an und wollte sofort wieder ihr Gespräch aufnehmen.   „Das ist ein Bus und keine Telefonzelle", und hielt auch ihr den Aus-  weis unter die Nase.   „Das fasse ich ja wohl nicht", störte sich aber weiter nicht an Willis  Aufforderung.   Auf einmal drückte Willi an seinem, extra für dieses Projekt entwickelten Scanner, welches nicht nur zum Lesen von Fahrscheinen vor herrschte, und das Handy hatte keinen Empfang mehr. Wie eine Furie ging sie auf Willi los.   „Mann, Alter! Spinnst du?" „Wie war das?" fragte Willi nach. „Hinter Mond leben und auch noch taub, was? Ey, sofort geht mein Handy wieder an, sonst gibt es gewaltig Ärger!" drohte sie ihm mit zusammengekniffenen Augen.   „Das glaube ich auch", meinte Willi gelassen. „Und so lange ich Ihnen gegenüber höflich bin, erwarte ich das auch von Ihnen. Das zum einen! Da steht das Schild „Handy-Verbot", daran haben auch Sie sich zu halten und wenn Sie sich beschweren wollen, hier ist meine Karte. Und jetzt möchte ich auch noch Ihren Fahrschein sehen!" erklärte Willi ihr,   Unterdessen hatten sie die gesamte Aufmerksamkeit der übrigen Fahrgäste. Auch der Fahrer hatte inzwischen den Disput bis nach vorne mitbekommen und fragte über den Lautsprecher: „Willi, brauchst Du Hilfe?" Über sein Funkgerät verneinte Willi dies. Inzwischen hatte die junge Dame ihre Tasche nach dem Fahrschein durchwühlt und endlich ihr Umwelt-Abo hervorgekramt. Willi ging mit seinem Scanner drüber.   „War's das oder möchten Sie auch noch meinen Personalausweis sehen? Und was ist jetzt mit meinem Handy?" „Außerhalb des Busses funktioniert es wieder tadellos!"   „Das hoffe ich für Sie!" giftete sie Willi an und verließ an der nächsten Haltestelle den Bus. „So", meinte Willi, und wandte sich den vier Knaben wieder zu. „Hat jetzt jeder seinen Fahrschein gefunden?" Gleichzeitig überzog so eine untrügliche Röte ihre Gesichter. Der Bus fuhr inzwischen die nächste Haltestelle an und die Knaben wiesen Willi darauf hin, hier aussteigen zu müssen. Willi nahm mit seinem Funkgerät Kontakt zum Fahrer auf, und dann stand der Bus. Die vordere Tür wurde geöffnet für die Ein- und Aussteiger, die hintere blieb zu. Die Fahrscheine hatten sich irgendwie in Luft aufgelöst. Willi verlangte nun die Personal-Ausweise, scannte sie ein und da sie die Kosten fürs Schwarzfahren nicht zahlen konnten, bekamen sie die Auflage, diese Gebühren bis morgen Mittag bei den Verkehrsbetrieben zu begleichen. Dafür druckte Willis Scanner auch den entsprechenden Beleg aus und er gab den Jungen mit auf den Weg:   „Wenn das Geld morgen nicht eingezahlt wird, erscheinen wir bei Euch zu Hause. Die Anschriften sind uns ja jetzt bekannt!" und wies auf den Scanner. „Ist das bei Euch angekommen? Okay!" Er nahm sein Funkgerät und der Fahrer öffnete die hintere Tür. Kein Fahrgast beschwerte sich, im Gegenteil, Willi bekam noch Applaus.   „Endlich wird mal durchgegriffen", hörte er einige Fahrgäste sagen. Willi erkannte, wie bedeutend doch so ein Busbegleiter zu sein schien und mancher Fahrgast auf diesen Service offenbar gewartet hatte. Man muss nur erst einmal anfangen, dann läuft alles andere wie von selbst.

 
 

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