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Reizklima auf Borkum
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Inzwischen
versah Frau Sieg seit fast zwei Wochen ihren Dienst im Vorzimmer. Frau
Hochstätter hatte sich entschlossen, den angesammelten Resturlaub zu nehmen,
um der Insel, die seit Tagen von dichtem Nebel eingeschlossen war, zu
entfliehen. Wutschnaubend knallte Althaus Frau Sieg nach Durchsicht seiner
Post ein Schreiben auf den Tisch. Wie versteinert stand sie angesichts
seiner Tonlage vor ihm. Das konnte er sich vielleicht bei seiner Frau
Hochstätter erlauben. Als Althaus keine Regung von Frau Sieg bemerkte, fiel
ihm jetzt erst auf, wen er vor sich hatte und murmelte etwas von
"Entschuldigung", um ihr dann in einem etwas gemäßigteren Ton einen Vorgang
zur Bearbeitung zu geben. Nach ihrer langen Abwesenheit aus der Klinik
musste sie sich erst einmal wieder an gewisse Gepflogenheiten gewöhnen. Dazu
gehörte auch, dass der Professor manchmal etwas laut sein konnte. Sie
überflog das Schreiben des Hotels "Vierjahreszeiten" mit der
Buchungsbestätigung für die Hochzeitssuite zum Jahreswechsel. Noch bevor sie
den Telefonhörer in der Hand hatte, kam über die Sprechanlage die Stimme des
Professors. Er wolle das Gespräch selbst führen, sie möge doch bitte die
Verbindung herstellen. Hauptsache, du weißt, was du willst, Professor,
dachte sie und stellte das Gespräch durch. Es klopfte. Ralf betrat das
Zimmer.
"Na, schon wieder eingewöhnt?", fragte er. Ihr verdrehter Blick in
Richtung Chefzimmer sprach Bände. "Dicke Luft!"
"Was hat er denn schon
wieder?"
"Für ihn hat jemand die Hochzeitssuite für Silvester gebucht, im
"Vierjahreszeiten", flüsterte sie. Ralf konnte sich das Lachen kaum
verkneifen, Frau Sieg mahnte ihn erschrocken zur Ruhe. "Na ja, wenn er nicht
will!"
"Er wusste ja nicht einmal was davon", klärte Frau Sieg ihn auf. "Das
ist auch nett. Die Überraschung dürfte dann wohl komplett in die Hose
gegangen sein", feixte Ralf. In dem Moment flog schwungvoll die Tür zum
Chefzimmer auf. Er sah Ralf groß an und meinte nur:
"Die Hochstätter
verkalkt auch immer mehr!", und schüttelte nur den Kopf, während er Frau
Sieg das Schreiben der Hotelreservierung gab.
"Ich habe eine Notiz
darauf gemacht, heften Sie es bitte entsprechend ab."
"Was hat denn Frau Hochstätter damit zu tun?", fragte Frau Sieg nach.
"Die hat letzte Woche
angeblich die Buchung dieser Suite veranlasst!", polterte Althaus los.
"Aber
das kann doch gar nicht sein, Herr Professor", widersprach Frau Sieg. "Frau Hochstätter ist seit zwei Wochen nicht mehr hier, da muss ein Irrtum
vorliegen!" Mit hochgezogener Stirn und schmalen Augen reagierte der
Professor auf diesen Einwand. "Egal, die Reservierung ist storniert!" Jetzt
schaltete sich Ralf ein.
"Na, Sie machen es sich aber einfach, Herr
Professor. Sie können doch nicht Frau Hochstätter für etwas verantwortlich
machen, was sie nicht getan hat, nur weil sie jetzt nicht hier ist, um sich
zu verteidigen. Was hätte Frau Hochstätter denn auch für einen Grund gehabt,
eine solche Reservierung vornehmen zu lassen? Sie müssten ihre langjährige
Sekretärin doch besser kennen und wissen, dass sie solche Dinge nie gemacht
hätte. Da sollten Sie unbedingt noch mal nachhaken. Ach ja, ich wollte Sie
eigentlich nur noch mal daran erinnern, dass ich die nächsten zwei
Nachmittage auf dieser Fortbildung im Kurhaus bin. Bleibt es dabei, dass Sie
meinen Dienst mit übernehmen?"
"Ja. gut dass Sie mich daran erinnern. Geht
klar! Frau Sieg machen Sie doch bitte für mich entsprechende Notizen und
dann verbinden Sie mich doch noch mal mit diesem Hotel", verlangte er und
knallte die Tür hinter sich ins Schloss.
"Ist er nicht nett?", fragte Frau
Sieg .
"Tja, manchmal ist dieses Zimmer eine wahre Quelle des Frohsinns!",
schmunzelte Ralf. Als die Stimme des Professors durch die Sprechanlage
knurrte, flüchtete er förmlich aus dem Zimmer.
Simon kam briefschwenkend in
Lisas Arbeitszimmer.
"Der Weihnachtsmann meint es dieses Jahr besonders gut
mit mir!", strahlte er.
"Wie darf man das denn verstehen?"
"Hier steht, eine
Maßküche, ein Traum für jeden Gourmet und Hobbykoch, soll pünktlich
angeliefert werden, damit das Weihnachtsmenü wie von Zauberhand zubereitet
werden kann!"
"Herzlichen Glückwunsch!" Lisa freute sich.
"Tja, das Ganze
hat nur einen kleinen Schönheitsfehler. Ich habe diese Küche nicht bestellt,
auch nicht meine bessere Hälfte. Es ist auch kein vorzeitiges
Hochzeitsgeschenk unserer Familien. Merkwürdig ist außerdem, die Bestellung
ist schriftlich erfolgt. mit den Maßen eines Raumes, den ich nicht kenne.
Ich habe mir dann mal die Bestellung hierher faxen lassen, und jetzt schau
dir meine Unterschrift und die Lieferadresse an?" Damit hielt er Lisa das
Schreiben vor die Nase.
"Die Unterschrift ist eindeutig falsch, da braucht
man nicht einmal einen Schriftsachverständigen. Aber die Lieferanschrift, da
wird sich Mattes sicher freuen, dass er eine neue Küche bekommt."
"Ja, wer
immer diesen Auftrag losgelassen hat, er will damit jemandem einen üblen
Streich spielen. Weiß Meingolf schon von seinem Glück?"
"Nein, ich wollte es
ihm jetzt mitteilen. Kommst du mit?"
"Besser nicht, die Reaktionen kann ich
mir auch so vorstellen!"
Also ging Simon allein zu Mattes, der schien kurz
vor einer Explosion zu sein. Simon versuchte vorsichtig rauszubekommen, was
los war.
"So eine Frechheit", tobte Mattes los. "Schau dir mal diesen Wisch
an!" Er hielt ihm Simon unter die Nase. Da halfen in diesem Falle keine
beruhigenden Worte. Kein Wunder bei dem Briefinhalt. Eine Mahnung für
Mattes, er möge doch nun endlich die Rechnung für das von ihm in Auftrag
gegebene Sargmodell "Ruhe Sanft" begleichen. Sonst müsse man einen
Gerichtsvollzieher bemühen.
"Willkommen im Club! Und beruhige dich
endlich!", feixte Simon. "Hier ist ein Irrer am Werk. Ich habe eben noch mit
Ralf gesprochen, bevor er das Haus verlassen hat. Dem Professor wollte
jemand eine Hochzeitssuite zu Silvester andrehen, mir eine Küche, übrigens
ist die Lieferanschrift mit deiner Wohnanschrift identisch. Und jetzt der
Sarg. Ich könnte mir gut vorstellen, dass die Sperrung von Ralfs Konto auch
damit zusammen hängt. Das ist zwar normalerweise eine Sache für den
Papierkorb, aber in diesem Fall sollten wir die Polizei einschalten. Da sind
nicht nur zu viele Ungereimtheiten, sondern auch gewisse Strickmuster
erkennbar. Hast du mal versucht, diese Sargfirma anzurufen?"
"Klar, eine
freundliche Stimme sagte: ,Kein Anschluss unter dieser Nummer'!" Mattes
hatte sich noch immer nicht beruhigt.
"Na also, dann werden wir mal morgen
früh zu unserer Polizei gehen und denen unsere Probleme schildern. Mal
sehen, was die davon halten. Vielleicht sind wir ja nicht die einzigen
‚0pfer’ in diesen Dingen. Eventuell werden wir Anzeigen erstatten müssen."
"Wenn du dir davon was versprichst!", zweifelte Mattes.
"Immer noch besser,
als sich alles gefallen zu lassen. Wer weiß, was noch kommen kann", orakelte
Simon. "In dieser Jahreszeit drehen manche Leute halt so ein bisschen durch.
Aber alles hat seine Grenzen."
"Du hast eine komische Art von Humor, mein
Lieber", bemerkte Mattes. "Nur so kann man es ertragen", konterte Simon
gelassen.
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