Angelika Preußer

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Reizklima auf Borkum

Inzwischen versah Frau Sieg seit fast zwei Wochen ihren Dienst im Vorzimmer. Frau Hochstätter hatte sich entschlossen, den angesammelten Resturlaub zu nehmen, um der Insel, die seit Tagen von dichtem Nebel eingeschlossen war, zu entfliehen. Wutschnaubend knallte Althaus Frau Sieg nach Durchsicht seiner Post ein Schreiben auf den Tisch. Wie versteinert stand sie angesichts seiner Tonlage vor ihm. Das konnte er sich vielleicht bei seiner Frau Hochstätter erlauben. Als Althaus keine Regung von Frau Sieg bemerkte, fiel ihm jetzt erst auf, wen er vor sich hatte und murmelte etwas von "Entschuldigung", um ihr dann in einem etwas gemäßigteren Ton einen Vorgang zur Bearbeitung zu geben. Nach ihrer langen Abwesenheit aus der Klinik musste sie sich erst einmal wieder an gewisse Gepflogenheiten gewöhnen. Dazu gehörte auch, dass der Professor manchmal etwas laut sein konnte. Sie überflog das Schreiben des Hotels "Vierjahreszeiten" mit der Buchungsbestätigung für die Hochzeitssuite zum Jahreswechsel. Noch bevor sie den Telefonhörer in der Hand hatte, kam über die Sprechanlage die Stimme des Professors. Er wolle das Gespräch selbst führen, sie möge doch bitte die Verbindung herstellen. Hauptsache, du weißt, was du willst, Professor, dachte sie und stellte das Gespräch durch. Es klopfte. Ralf betrat das Zimmer.
"Na, schon wieder eingewöhnt?", fragte er. Ihr verdrehter Blick in Richtung Chefzimmer sprach Bände. "Dicke Luft!"
"Was hat er denn schon wieder?"
"Für ihn hat jemand die Hochzeitssuite für Silvester gebucht, im "Vierjahreszeiten", flüsterte sie. Ralf konnte sich das Lachen kaum verkneifen, Frau Sieg mahnte ihn erschrocken zur Ruhe. "Na ja, wenn er nicht will!"
"Er wusste ja nicht einmal was davon", klärte Frau Sieg ihn auf. "Das ist auch nett. Die Überraschung dürfte dann wohl komplett in die Hose gegangen sein", feixte Ralf. In dem Moment flog schwungvoll die Tür zum Chefzimmer auf. Er sah Ralf groß an und meinte nur:
"Die Hochstätter verkalkt auch immer mehr!", und schüttelte nur den Kopf, während er Frau Sieg das Schreiben der Hotelreservierung gab.
 
"Ich habe eine Notiz darauf gemacht, heften Sie es bitte entsprechend ab."
"Was hat denn Frau Hochstätter damit zu tun?", fragte Frau Sieg nach.
"Die hat letzte Woche angeblich die Buchung dieser Suite veranlasst!", polterte Althaus los.
"Aber das kann doch gar nicht sein, Herr Professor", widersprach Frau Sieg. "Frau Hochstätter ist seit zwei Wochen nicht mehr hier, da muss ein Irrtum vorliegen!" Mit hochgezogener Stirn und schmalen Augen reagierte der Professor auf diesen Einwand. "Egal, die Reservierung ist storniert!" Jetzt schaltete sich Ralf ein.
"Na, Sie machen es sich aber einfach, Herr Professor. Sie können doch nicht Frau Hochstätter für etwas verantwortlich machen, was sie nicht getan hat, nur weil sie jetzt nicht hier ist, um sich zu verteidigen. Was hätte Frau Hochstätter denn auch für einen Grund gehabt, eine solche Reservierung vornehmen zu lassen? Sie müssten ihre langjährige Sekretärin doch besser kennen und wissen, dass sie solche Dinge nie gemacht hätte. Da sollten Sie unbedingt noch mal nachhaken. Ach ja, ich wollte Sie eigentlich nur noch mal daran erinnern, dass ich die nächsten zwei Nachmittage auf dieser Fortbildung im Kurhaus bin. Bleibt es dabei, dass Sie meinen Dienst mit übernehmen?"
"Ja. gut dass Sie mich daran erinnern. Geht klar! Frau Sieg machen Sie doch bitte für mich entsprechende Notizen und dann verbinden Sie mich doch noch mal mit diesem Hotel", verlangte er und knallte die Tür hinter sich ins Schloss.
"Ist er nicht nett?", fragte Frau Sieg .
"Tja, manchmal ist dieses Zimmer eine wahre Quelle des Frohsinns!", schmunzelte Ralf. Als die Stimme des Professors durch die Sprechanlage knurrte, flüchtete er förmlich aus dem Zimmer.
Simon kam briefschwenkend in Lisas Arbeitszimmer.
"Der Weihnachtsmann meint es dieses Jahr besonders gut mit mir!", strahlte er.
"Wie darf man das denn verstehen?"
"Hier steht, eine Maßküche, ein Traum für jeden Gourmet und Hobbykoch, soll pünktlich angeliefert werden, damit das Weihnachtsmenü wie von Zauberhand zubereitet werden kann!"
"Herzlichen Glückwunsch!" Lisa freute sich.
"Tja, das Ganze hat nur einen kleinen Schönheitsfehler. Ich habe diese Küche nicht bestellt, auch nicht meine bessere Hälfte. Es ist auch kein vorzeitiges Hochzeitsgeschenk unserer Familien. Merkwürdig ist außerdem, die Bestellung ist schriftlich erfolgt. mit den Maßen eines Raumes, den ich nicht kenne. Ich habe mir dann mal die Bestellung hierher faxen lassen, und jetzt schau dir meine Unterschrift und die Lieferadresse an?" Damit hielt er Lisa das Schreiben vor die Nase.
"Die Unterschrift ist eindeutig falsch, da braucht man nicht einmal einen Schriftsachverständigen. Aber die Lieferanschrift, da wird sich Mattes sicher freuen, dass er eine neue Küche bekommt."
"Ja, wer immer diesen Auftrag losgelassen hat, er will damit jemandem einen üblen Streich spielen. Weiß Meingolf schon von seinem Glück?"
"Nein, ich wollte es ihm jetzt mitteilen. Kommst du mit?"
"Besser nicht, die Reaktionen kann ich mir auch so vorstellen!"
Also ging Simon allein zu Mattes, der schien kurz vor einer Explosion zu sein. Simon versuchte vorsichtig rauszubekommen, was los war.
"So eine Frechheit", tobte Mattes los. "Schau dir mal diesen Wisch an!" Er hielt ihm Simon unter die Nase. Da halfen in diesem Falle keine beruhigenden Worte. Kein Wunder bei dem Briefinhalt. Eine Mahnung für Mattes, er möge doch nun endlich die Rechnung für das von ihm in Auftrag gegebene Sargmodell "Ruhe Sanft" begleichen. Sonst müsse man einen Gerichtsvollzieher bemühen.
"Willkommen im Club! Und beruhige dich endlich!", feixte Simon. "Hier ist ein Irrer am Werk. Ich habe eben noch mit Ralf gesprochen, bevor er das Haus verlassen hat. Dem Professor wollte jemand eine Hochzeitssuite zu Silvester andrehen, mir eine Küche, übrigens ist die Lieferanschrift mit deiner Wohnanschrift identisch. Und jetzt der Sarg. Ich könnte mir gut vorstellen, dass die Sperrung von Ralfs Konto auch damit zusammen hängt. Das ist zwar normalerweise eine Sache für den Papierkorb, aber in diesem Fall sollten wir die Polizei einschalten. Da sind nicht nur zu viele Ungereimtheiten, sondern auch gewisse Strickmuster erkennbar. Hast du mal versucht, diese Sargfirma anzurufen?"
"Klar, eine freundliche Stimme sagte: ,Kein Anschluss unter dieser Nummer'!" Mattes hatte sich noch immer nicht beruhigt.
"Na also, dann werden wir mal morgen früh zu unserer Polizei gehen und denen unsere Probleme schildern. Mal sehen, was die davon halten. Vielleicht sind wir ja nicht die einzigen ‚0pfer’ in diesen Dingen. Eventuell werden wir Anzeigen erstatten müssen." "Wenn du dir davon was versprichst!", zweifelte Mattes.
"Immer noch besser, als sich alles gefallen zu lassen. Wer weiß, was noch kommen kann", orakelte Simon. "In dieser Jahreszeit drehen manche Leute halt so ein bisschen durch. Aber alles hat seine Grenzen."
"Du hast eine komische Art von Humor, mein Lieber", bemerkte Mattes. "Nur so kann man es ertragen", konterte Simon gelassen.

 

 
 


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